Unsere Männer im Um- und Aufbruch

Was in der Nationalelf seit einiger Zeit erfolglos beschworen wird und bei RB-Leipzig Jahr um Jahr mehr oder weniger beeindruckend gelingt, stand für die Hubertusburger in diesem Sommer zwangsweise bevor. Nach Jahren des kontinuierlichen Aufbaus und der Entwicklung, war nach einer turbulenten Schlussphase der Spielrunde 2022/23 klar, dass sich Einiges ändern soll, wird und muss. Weil Vereinsidentifikation auch in Wermsdorf dann doch mal wieder einer gewissen Dynamik unterlag, sich Ligazugehörigkeitsprognosen munter durchmixten und damit einhergehend Fragezeichen an alles mit halbwegs blau-weißem Anstrich geheftet wurden, grassierte an der Sachsendorfer Straße schnell die im Spitzensport inflationär, im Kreisfußball doch eher seltener gebrauchte Mär vom Umbruch. Daher wurde es in den letzten Wochen an dieser Stelle ruhig, galt es doch Entwicklungen abzuwarten und den sprichwörtlichen Ball flachzuhalten. Die sommerliche Bestandsaufnahme ist mittlerweile abgeschlossen und es scheint an der Zeit, dass nicht mehr nur über Blau-Weiß, sondern auch „von“ Blau-Weiß gesprochen wird.

Was ging ab?

Verabschieden mussten sich die Wermsdorfer Herren zum Ende der kommenden Saison schweren Herzens gleich von mehreren prägenden Figuren.

Mit Co-Trainer Mike Rische hat sich der Motivator der Truppe in den wohlverdienten sportlichen Ruhestand zurückgezogen. Im Trainingsbetrieb und an der Seitenlinie ebnete der Merkwitzer die Erfolge der vergangenen Spielzeiten im Herrenbereich im Zusammenspiel mit Trainer Dierk Kupfer maßgeblich. Schon vor seiner Stelle bei den Senioren, sorgte Mike in der A-Jugend Spielgemeinschaft für Titel und den erfolgreichen Übergang einiger Junioren in den blau-weißen Herrenbereich. Wer weiß wo unsere hochgeschätzten Herren Griesmann, Meth oder Dembappe ohne Mike gelandet wären. Danke für deinen Einsatz, die Hingabe und Leidenschaft und das Vertrauen, was du in uns und unseren Verein gegeben hast!

Während bei Mike dem Hörensagen her vornehmlich die noch zur Genüge vorhandene Gartenarbeit ursächlich für den Rücktritt daherkam, trat ein anderes blau-weißes Vorbild der noch jüngeren Familie wegen in die Fußballrente über. Florian Böttger hat die Klamotten mit der Nummer 10 zwar noch nicht abgegeben, sein ehrenwertes Trikot aber zur freien Verfügung gestellt. Am ewig jung gebliebenen nagte dann doch der Zahn der Zeit. Nicht zu erkennen zwar im fußballerischen Sinn, aber wohl im Geiste…Du hast uns so unendlich viele tolle Momente geschaffen lieber Flori, wir gönnen die nun natürlich auch deiner Familie. Aber versteh bitte auch, dass dein Handy am Spieltag wohl doch immer mal noch klingeln wird. Ähnlich wird es auch Dominik Weidner ergehen. Schon im Winter aufgrund vom Studium kürzergetreten, war auf Domi in der Rückrunde 22/23 dennoch bei Bedarf immer wieder Verlass und es sah stets so aus, als sei unsere Nummer 4 nie weggewesen, wenn sie seinem Zwillingsbruder auf der rechten Bahn mal wieder davongespurtet ist. Danke, für die unzähligen Male, in denen du für unseren schon geschlagenen, tempodefizitären Libero noch die Kohlen aus dem Feuer geholt hast. Wir hoffen, dass du uns mit deiner medizinischen Fachkompetenz erhalten bleibst und bitten schonmal um Verzeihung für etwaige montägliche Anfragen für gelbe Zettel.

Nun ist man schon so schmerzlich munter drin im Auf-Wiedersehen sagen, dass man eigentlich gar nicht mehr will oder kann. Doch für die Hubertusburger öffnete (oder schloss, je nachdem welchen Betrachtungswinkel man nun wählen mag) sich im Sommer eben auch noch ein anderes Kapitel. Die Spielgemeinschaft zwischen Wermsdorf, Luppa und Traktor Naundorf wurde nach nur einem Jahr einseitig aufgelöst. Was in den eng verbundenen grün-blau-weißen Reihen erst zu einigem Entsetzen führte, mündete dann auch recht schnell in Enttäuschung und sorgte zumindest beim Verfasser dieser Zeilen für einige schlaflose Nächte. Mittlerweile ist aber einiges an Regen gefallen, sodass auch ohne Brunnenbewässerung genug Gras über die Sache wachsen konnte. Wir sind stolz auf das, was wir in der Spielgemeinschaft in Kreisliga und Kreisoberliga erreicht haben. Nicht zuletzt die beiden furiosen Derbyerfolge über Meister Dahlen stehen symbolisch für das, was in dieser Konstellation möglich war. Nächtliche Europareisen über Schienen direkt auf den Oschatzer Kunstrasen, spektakuläre Klärungstaten auf der Torlinie, von der Arbeitshose in die Trainingsshorts in unter einer Sekunde, stete Rechteckmitbringsel, zuverlässige Knabberzeuglieferungen oder etwaige Weichteilschutzpräparate werden uns noch lange im Gedächtnis bleiben und immer auch ein Vorbild für Einsatz und Hingabe liefern. Ihr werdet uns auf und neben dem Platz fehlen. Viel Erfolg für euren neuen Weg.

So viel also zum kurzen Blick zurück. Auf in die Gegenwart.

Dort lichteten sich die übrigen Fragezeichen zum Trainingsauftakt Mitte Juli nach und nach.

1. Erkenntnis: Mit 21 Jahren spielt man im Trainingsspiel in Team alt.

2. Erkenntnis: Blau-Weiß bestreitet die Testspiele wieder gewohnt dürftig.

3. Erkenntnis: Da wächst wieder was zusammen.

Doch der Reihe nach. Den personellen Umbruch, vor allem in der selbstverständlich fortgeführten Spielgemeinschaft mit Luppa, zu stemmen wird nur möglich durch die gute blau-grün-weiße Jugendarbeit. Einige neue Gesichter aus der A-Jugend sind ab sofort mit dabei und werden an der Seite der alten Hasen, zu denen man nun definitiv schon mit Mitte Zwanzig zählt, ihre Erfahrungen sammeln und die FSV-Herren bereichern. Mit Neuzugang Dustin Auerbach wird außerdem die Mutzschen Fraktion unter den Hubertusburgern verstärkt und vermeintlich eine ganz neue Spezies des treffsicheren Stürmers erschlossen. Aus der Grimmaer Jugend fand auch Oscar Kupfer seinen Weg zurück in die Heimat, wo man sich darauf freut, dass Osse neben den großen Fußstapfen seines Vaters seine eigenen Spuren hinterlassen wird. Unter den Säulen der vergangenen Spielzeit gab es auch einige erfreuliche Nachrichten. Die pascal‘sche Leipzig-Connection nimmt die Fahrtwege und Körperblessuren weiter dankend in Kauf, um an der Sachsendorfer Straße heimisches Duschwasser sparen zu können. Robby und Robyn ebenfalls auch ohne Landesklasse weiter an Board und an Bedeutung kaum zu beschreiben. Daneben im Defensivverbund mit Holger Siebert außerdem der älteste und zweifellos fitteste Spieler der Hubertusburger mit einer starken Vorbereitung und dem ungefähr 6. Karrierefrühling. Sein wohl 14. Erblühen erlebt gleichwohl Meik Eckert, der nach Mittelfußbruch in konsequenter Trainingsarbeit abseits des Trainingsplatzes und mit unorthodoxen Methoden zu alter Stärke zurückfand. Apropos alte Stärke. Libero Denny Beckedahl hat die Wuchtbrumme so langsam wieder scharfgestellt. Die behutsame Minutendosierung samt Belastungsreiz auf der Torhüterposition päppelten den Freistoßspezialisten tatsächlich wieder so auf, dass es vermeintlich für 90 Minuten „Ladenzusammenhalten“ von der Sechzehner-Kante aus reichen dürfte. Der geneigte Leser fragt sich an dieser Stelle zurecht, wo in dieser Defensive die km/h herkommen sollen. Einfache blau-weiße Antwort: Max Thomas. Abseits des Platzes in bestechender Frühform und durstig wie eh und je. Knüpft Max an diese Leistungen im fußballerischen Sinn an, dann wird munter zelebriert. Darüber hinaus der übliche Spaß im FSV-Dress. Louis Hoffmann hat die Gummi-Knochen über den Sommer mit neuen Trainingsgeräten gut vorgestretcht für einige wilde Slalomläufe. Florian Grieser hat mächtig an der Kopfballtechnik gefeilt. Demba Mbye besticht neben absoluter Wermsdorf-Identifikation samt Wohnort und Berufswechsel hin an den Fuß der Hubertusburg mit grandioser Laufform. Matti Lehmann hat sich von der Offensivhoffnung hin zur Liberoalternative upgegradet. Benjamin Lochert sortiert seine 8 Spinnenbeine mühsam aber grazil wie eine Baumnatter. Johannes Keller darf sich nun als Sechser ausprobieren und dort mit seinem Bruder Justus um die Wette kriechen. Sascha „Sasa“ Hartig ackert nicht nur auf Arbeit, sondern auch auf dem Platz fleißig, weshalb keine Zeit bleibt, den Leipziger Stadtplan zur ortskundigen Busführung auswendig zu lernen. Wenn bei Lucas Bruder nicht das vermaledeite Knie dazwischenfunkt, ist auf den Ur-Wermsdorfer Verlass. Genauso wie auf Luppa-Spezi Feile, der im Notfall hoffentlich immer mal wieder einspringen wird und mit 30-Meter Volleys oder vorzugsweise Außenrist-Flanken überzeugt. Dafür braucht es aber natürlich zwei. Ein Glück also, dass auch Tim Körner als feiner Veredler weiter mit von der Partie ist (wenn nicht grade durch Sonderberichte verhindert). Während Bruno „Flash“ Wagner erstmal in Australien mit den Kängurus um die Wette flitzt, hoffen wir mal, das Paitzi bald wieder, wie ein junges Reh über die heimischen Wiesen hüpfen kann. Als Routinier auf jeden Fall zwischen die Pfosten zurückkehren wird Benjamin Schönitz, der sich nach langer Zwangspause zurückgearbeitet hat. Zurück ist auch Sebastian Freiberg, der genug vom Tötörötööö hat und wohl noch, dass ein oder andere muntere Ballgeschiebe an der Sachsendorfer Straße mitnehmen wird. Im andernorts „Funktionsteam“ geschimpften Stab an der Seitenlinie die altbewährte geballte Kompetenz um Trainer Dierk Kupfer, Kümmerer Marius Lüderßen und Allrounder Jörg Büchner. Lieber Vorstand, Nummer 1 der To-Do’s der Verbesserungsvorschläge wäre damit also abgehakt. Das wären also mehr oder weniger im Detail die Jungs, die es in der anstehenden Runde richten sollen und das gewünschte Mehr an Transparenz und Offenheit.

Auch wenn die Personaldecke schon mal rosiger aussah, so macht diese Truppe doch absolut Bock auf die kommenden Aufgaben. Bei denen wird sich Blau-Weiß zwar vom Anspruch der letzten Spielrunden verabschieden, aber der unangenehme Dorfverein mit der Nervenheilklinik und den paar Fischtümpeln bleiben. Schauen wir mal, was wird. JK