Glückwunsch zum 80. Patte!

Auch wenn Wolfgang Finke mit dem neumodischen Internet nichts am Hut hat, wollen wir wir unserem Ehrenmitglied auf diesem Weg herzlich gratulieren. Patte ist noch alte Schule und liest die Lokalzeitung OAZ in Papierform – da muss es noch am Frühstückstisch rascheln. Wir bringen das Zeitungsinterview (hier wird noch gesiezt) vom 18. September mit Patte ungekürzt garniert mit einigen historischen Fotos.

AK: Der Wermsdorfer Fußball blickt auf eine über 90-jährige Tradition zurück. Wie viele Jahre hast du persönlich auf dem Platz an der Sachsendorfer Straße oder an der Seitenlinie zugebracht?

Wolfgang Finke: Das sind nun schon reichlich 70 Jahre. 1949 bin ich mit 8 Jahren das erste Mal an der Sachsendorfer Straße als Fußballknirps aufgelaufen.

Du bist Jahrgang 1941 – welche Erinnerungen hast du an deine Kindheit im Nachkriegsdeutschland?

Mit der Zeit verblassen viele Erinnerungen. Die Versorgungslage war jedenfalls sehr angespannt – wir hatten ständig Kohldampf und waren auf der Suche nach etwas Essbaren. Die sowjetischen Soldaten hatten im Wermsdorfer Alten Jagdschloss ein Quartier. Hier bekamen wir als kleine Kinder immer mal aus der Gulaschkanone einen Teller Suppe. 

Sportlich fuhrst du zweigleisig. Neben Fußball war der Boxsport deine große Leidenschaft.

In benachbarten Mutzschen begann ich mit dem Boxen und wurde dann zu Dynamo Leipzig delegiert. Als Rechtsausleger war ich damals einer der Besten und gewann 1961 die DDR-Meisterschaft im Leichtgewicht. Da war ich 20 Jahre jung. Geboxt habe ich bis zum 27. Lebensjahr.

Boxen und Fußball – klingt nach einem vollen Wochenplan.

Etwas sportverrückt musste man schon sein, zumal wir als ehrgeizige junge Faustkämpfer zeitweise dreimal die Woche im Boxring trainierten. Aber die Woche hat bekanntermaßen 7 Tage, sodass auch das Fußballtraining nicht zu kurz kam.

Erfolgreich warst du im Fußball allemal.

1957 konnten wir mit der Wermsdorfer Jugendmannschaft als Kreismeister in die Bezirksklasse aufsteigen und trafen dort auf bekannte Vereine aus Grimma, Wurzen sowie Chemie und SC Leipzig. Wir schafften in dieser starken Liga auf Anhieb den 4. Platz.

Jugendmannschaft Kreismeister 1957 – Bezirksklasseaufsteiger

Wie gelang der Wechsel ins Männerteam?

Wir hatten natürlich als Nachwuchsspieler oft bei den Männern zugeschaut. Die alten Platzhirsche gaben jedenfalls ihren Stammplatz nur ungern auf.

Wie würdest du dich als Spieler charakterisieren?

Ich spielte meist als linker Stürmer und konnte mich auf meinen schnellen Antritt verlassen. Als ehrgeiziger Typ war ich leicht erregbar – bei mancher verbaler Auseinandersetzung war ich oft mittendrin.

Zur Freude der Schiedsrichter und deines Trainers.

Die Schiedsrichter ließen damals mehr durchgehen als heute und waren großzügiger. Meine Robustheit als Boxer kam mir damals zugute.

Boxkämpfe auf dem Rasen also?

Natürlich nicht, aber eben Rangeleien – heute würden wir Rudelbildung dazu sagen. Unser Verteidiger Ernst Wentzlaff war ebenfalls Boxer und sehr robust – wir ergänzten uns gut.

Legendär waren über lange Jahre auch die Platzverhältnisse an der Sachsendorfer Straße.

Heute sieht der Rasen sehr gepflegt aus – damals war die Farbe Grün eher selten zu sehen. Auf dem Platz wurde regelmäßig Schlacke aus dem Heizhaus der Hubertusburg verteilt. Bei Regenspielen wäre manchmal das Wort Schlammschlacht treffender gewesen. Spaß am Fußballspielen hatten wir trotzdem.

Die Männer nach einer Schlammschlacht 1958

1963 wurden der erste Kreismeistertitel im Altkreis Oschatz eingefahren später dann auch der Pokalsieg. Wie kamen Sie mit dem Meistercoach Walter Schindler klar?

Walter war ein kompetenter und eher ruhiger Trainer, der uns immer wieder erdete. Das war wichtig,  denn auf dem Platz ging es oft hoch her. Besonders die Derbys gegen Mügeln, Dahlen oder Borna bei Oschatz waren heiß umkämpft, aber das ist ja heute nicht anders.

Kreismeister 1963 – Pokalsieger 1965

Kreismeister 1963 – folgte der Aufstieg in die Bezirksklasse heute Kreisoberliga?

Damals musste der Meister in eine Aufstiegsrunde mit anderen regionalen Meistervereinen. Hier schafften wir zu unserem großen Kummer nie den Sprung nach oben. Es gab über die Jahrzehnte mehrere Versuche, teilweise unter meiner Verantwortung als Trainer. Einmal stoppte uns nur das etwas schlechtere Torverhältnis. Erst 2012 ging mit dem Aufstieg unserer Männer in die Kreisoberliga Nordsachsen ein langgehegter Traum der Hubertusburger Fußballer in Erfüllung.

Als aktiver Spieler stiegst du auch ins Nachwuchstraining ein.

Ich übernahm eine Nachwuchsmannschaft und engagierte mich in der Talente-Förderung des Altkreises Oschatz. In der DDR hatte die systematische Sichtung und Förderung der Sporttalente einen hohen Stellenwert. Wir bauten in Wermsdorf einen sogenannten Trainingsstützpunkt auf. Mit als Trainer dabei waren der Wermsdorfer Fritz Schilling und der Oschatzer Hermann Wenzel. Die Talente der Region trainierten zweimal die Woche in Wermsdorf, trugen aber ihre Punktspiele in ihren Heimatvereinen aus. Gelegentlich kam es zu Sichtungsspielen mit anderen Kreisauswahlmannschaften, z.B. aus Riesa, Grimma oder Leipzig.

1978 – Kreisauswahlspiel in Oschatz vs. Stahl Riesa

Hattest du Erfolg?

Zunächst hatten die Heimatvereine etwas davon, wenn ihre Talente zusammen mit den Besten trainierten. Darüber hinaus fuhr ich gelegentlich mit Spielern zum Probetraining nach Leipzig. Lok Leipzig war damals das Leistungszentrum im Bezirk Leipzig. Wir konnten einige Spieler zur Loksche delegieren, wie es damals hieß. Der Bekannteste ist wohl Jürgen Rische aus Oschatz, der nach der Wiedervereinigung in der ersten und zweiten Bundesliga Fuß fasste.

1980 – Talentetrainingsstützpunkt an der Sachsendorfer Straße

In dieser Zeit gab es nur Fußball für dich?

Naja – meine Frau war sehr verständnisvoll. Ich war im Verein zeitweise das „Mädchen für alles„ also Platzwart, Hallenmeister und Nachwuchs- und Männertrainer in Personalunion. Praktischerweise  wohnten wir gleich in einer Wohnung der alten Turnhalle am Sportplatz. Zum Ende der DDR wurden unser Männer Pokalsieger und Kreismeister.

Wolfgang mit seinen Nachwuchsschützlingen 1974 in der alten Sporthalle

Das Ende der DDR brachte neue Umbrüche und Herausforderungen.

Das Sportsystem der DDR brach zusammen. Die damals üblichen Trägerbetriebe der Sportvereine stellten ihre Unterstützung ein. Das war in Wermsdorf die Klinik Hubertusburg. Der Mehrspartenverein BSG Medizin Wermsdorf löste sich auf – unsere Turner gründeten einen eigenen Verein. Am 13. August 1990 gründeten 42 Fußballer den FSV Blau-Weiß Wermsdorf in der Halle der Binnenfischerei in Reckwitz – ich wurde als Präsident gewählt.

Wie kam es zum Vereinsnamen?

Der Überlieferung nach sind unsere Gründerväter des TSSV „Eiche“ zu ihren ersten Spielen ab 1928 in Blau-Weiß aufgelaufen. Die Fußballer der BSG Medizin hatten diese Farben übernommen. Es lag also nahe, diese Tradition fortzuführen.

Ein reibungsloser Start der Wermsdorfer Fußballer ins wiedervereinigte Deutschland?

Eher ein mühseliger Start. Wir hatten zwar wieder eine Männermannschaft und kurbelten langsam die Nachwuchsarbeit an, aber unsere finanziellen Polster waren bei Null. Ich erinnere mich, dass wir für unsere erste Vereinsweihnachtsfeier vorher sammeln mussten. Eigene Nachwuchstrainer hatten wir zunächst nicht. Ich fing mit 19 jungen Leuten an zu trainieren. Nach einem Jahr übernahmen weitere Vereinskameraden Verantwortung für den Nachwuchs, wie Manfred Züchner, Werner Moser und Günther Heidler.

1990 – die Männermannschaft nach der Gründung des FSV Blau-Weiß

Du hast den Fußballverein noch einige Jahre aktiv in verschiedenen Ämtern mitgestaltet.

So lange die Kraft gereicht hat, war ich als Trainer im Nachwuchs- oder Männerbereich aktiv. Der Verein hat mich 2006 zum Ehrenmitglied gemacht, vom sächsischen Fußballverband gab es 2003 mit der Ehrennadel in Gold die höchste Auszeichnung. Über beide Auszeichnungen habe ich mich sehr gefreut.

E-Junioren 1995
1. Männer 1997

Was wünschst du dir als Wermsdorfer Fußballurgestein für die Zukunft?

Ich wünsche meinen Hubertusburgern alles Gute. Der Verein hat mit vielen engagierten Sportfreunden in den letzten Jahren eine erstaunliche Entwicklung genommen. Solange die Gemeinschaft der Blau-Weißen zusammensteht, wird das auch so bleiben.