Junge Wermsdorfer zahlen in Delitzsch Lehrgeld

ESV Delitzsch – FSV Blau-Weiß Wermsdorf 4:2 (3:1)

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Am Samstag gastierten die Hubertusburger beim noch ungeschlagenen Tabellenzweiten in Delitzsch. Während die Reisegruppe Leipzig alle ÖPNV-Optionen ausreizte, um pünktlich zum Treff bei den Eisenbahnern auf der Matte zu stehen, weilte Geschäftsmann Dustin Auerbach nach erfolgreichem Comeback der Vorwoche unglücklicherweise in der Hansestadt Bremen, um die dicken Deals einzutüten. Da bei den langzeitverletzten Oscar Kupfer und Pascal Ziegler wie zu erwarten nicht plötzlich ein neues Kreuzband oder ein unvernarbter Oberschenkelmuskel sprießte und neben Robby Staude auch Max Thomas einen neuen Eintrag in die Krankenakte verbuchte, war der blau-weiße Kader mal wieder mächtig auf Kante genäht. Mit Benjamin Lochert ergänzte der Kapitän der Spielgemeinschaft das Aufgebot von Trainer Sven Juretschke. Neben Spinne nahmen auf der Bank zunächst Tim Höhnel und Maximilian Zschiesche Platz. Die Startelf damit unverändert im Vergleich zum Vorwochenerfolg über Bad Düben und aus Innenansicht durchaus in der Lage, hier heute um was Zählbares zu kicken. Diesem eigenen Anspruch, den man sich am Fuße der Hubertusburg in den letzten Jahren konsequent erarbeitete, wurde quasi mit dem Anpfiff erstmal eine deutliche Abfuhr erteilt. Nach zwei Zeigerumdrehungen überrascht die FSV-Kicker, was die Trainer vorher gebetsmühlenartig predigten und ein langer Ball von Delitzsch landet beim verwaisten Patrick Döhler, der nur noch einschieben muss. Wermsdorf noch ohne Schweißtropfen im Jersey, aber schon einem Gegentor auf dem Buckel vermasselt den Auftakt auf bitterste Art und Weise. In der Folge beweisen die Gäste aber, dass in der Truppe eine unbeugsame Moral steckt. Zwar hinten weiter konfus, aber mit Willen und Antriebskraft, ackern sich die Schützlinge von Juretschke ins Geschehen.

Vorne läuft Tom Zielinski äußerst entschlossen an und überrascht die Gegner damit. Der Landesklasse-Absteiger hat offenbar mit weniger Gegenwehr gerechnet und spielt hier und da mit dem Feuer, verbrennt sich allerdings noch nicht. Die ESV-Abwehr lässt Bambi Schritte machen, dass sich das AOK-Bonusprogramm freut und die Lunge nach einer Viertelstunde pfeift wie die Dampflok auf dem Delitzscher Wappen. Der Aufwand trägt allerdings seine Früchte. In der 15. Spielminute bekommt der Platzbesitzer eine blau-weiße Kombination über die rechte Bahn nicht durch die spielerische Lösung entschärft. Johannes Keller hält nach Ablage von Ruven Frase aus der Box einfach drauf und der abgefälschte Flachschuss landet im Netz. Ausgleich und nochmal zwei Kilogramm mehr Kampfgewicht, für alle Leichtbauangreifer der Wermsdorfer.

Mit dem 1:1 im Rücken stellen Sven Juretschke und seine Co’s Denny Beckedahl und Robby Staude um. Pascal Weidner tauscht mit Zille, darf also ganz vorne die Ein-Mann-Büffelherde geben und Bambi die linke Seite zum Galoppspringen überlassen.

Das geht sich in dem Sinne ganz gut aus, dass Weidi nahtlos weiter spurtet und kämpft, was die Konstitution vom mit 27 Lenzen zweitältesten Collmkicker hergibt und es dem ehemaligen Landesklassisten damit keinesfalls leicht macht. Delitzsch schafft es mit Ruhe und weiten Bällen aber immer wieder, sich auf dem breiten Geläuf aus dem FSV-Anlaufen zu befreien. Auch wenn es nicht immer mit Plan vonstattengeht. Nur eine Zeigerumdrehungen nach dem Ausgleich kloppt der ESV-Verteidiger einen Abschlag von Robyn Staude so weg, dass die Murmel mustergültig im Lauf von Florian Stelzer landet, der sich im Zweikampf behauptet und direkt wieder die Führung der Gastgeber besorgt. Wermsdorf muss einsehen, dass neben einem gewissen ungünstigen Spielfilm, vor allem auch die eigenen Unzulänglichkeiten in der defensiven Staffelung hier bisher nicht annährend ausreichen, um auf Niveau zu sein. Im Gang nach vorn kann dies übertragen werden, auf die Entscheidungsfindung. Mit einem kräftezehrenden Aufwand erarbeiten sich Ruven Frase als auch Justus Keller die Möglichkeit, im letzten Drittel etwas zu kreieren. Ruby steckt allerdings ein Quäntchen zu weit durch, sodass selbst Pfeil Lukas Schulz im Vollsprint nicht mehr vorm gegnerischen Hüter rankommt.

Bemerkenswert trotzdem, wie Luki scheinbar vom vortäglichen Geburtstagskuchen beflügelt, das Spielfeld in einer Geschwindigkeit überquert, die ihm bei jedem Auto-Quartett eine begehrte Karte in der Kategorie „Von Null auf Hundert“ bescheren würde. Kapitän Justus Keller wiederrum werden die eigenen Geschwindigkeitsdefizite kurz darauf mal wieder zum Verhängnis. Nach Balleroberung wählt die Nummer 8 erst den falschen Korridor für den Pass auf Ruby, der die Situation mit einer Ablage aber eigentlich noch ganz gut rettet. Der Sportlehrer kann im Laufduell allerdings nichts erbauliche mehr erbringen und muss hoffen, dass seine anwesenden Schüler gerade eine neue Cola geordert haben und sich hieran kein Vorbild für die anstehenden Sprinttestate nehmen. So darf Delitzsch nach einer halben Stunde nochmal für alle verdeutlichen, was an diesem Tag der entscheidende Unterschied beider Mannschaften ist. Wieder einfach und ruhig hinten raus, dass Mittelfeld schnell überlagernd und im Abschluss zielstrebig, stellt die Heimelf nach punktgenau 30 Minuten auf 3:1. Das sich Wermsdorf in der Phase zuvor rehabilitierte und anschickte, noch unbequemer zu werden, ist damit vergessen und die Collmkicker haben daran bis zum Pausenpfiff zu knabbern. Viel ist nun Stückwerk und Delitzsch ist das ganz recht. Während der Tabellenzweite kräfteschonend von hinten raus agiert, beläuft der Gast die ganze Wiese und schleudert die Körner durch die Gegend. In der Pause gilt es für die Blau-Weißen erst einmal kräftig durchzuatmen und sich dann so einiges vom Trainergespann anzuhören. Der Fülle an Informationen nehmen sich die FSV’ler in Durchgang zwei nach bestem Wissen uns Gewissen an. Die Außenverteidiger halten ihre Linie nun im Zusammenspiel mit den Sechsern besser ein und so kann Libero Philipp Springer seiner Rolle gerecht werden und aus tiefer Position den Anker geben.

Nach vorn versuchen es die Gäste weiter über die Schnittstellen der Außenbahn, finden hier auch ab und an die freie Fläche, doch machen aus den Ansätzen zu wenig. Anders als noch zuvor bleibt der Kopf aber auf allen Hälsen entschlossen gen gegnerisches Tor gerichtet und man nimmt die Sache an, wie sie eben ist. Wermsdorf besinnt sich auf die Ursprünge und ackert einfach, egal was passiert. Ob nun durch ein fehlende Schwimmfähigkeiten beim Wasserfest angeschlagen oder geschwächt von Erkältung oder Spätschicht, die Blau-Weißen spielen füreinander und treten als Mannschaft auf. An Moral und Wille ändert auch das eigenverschuldete 4:1 (60.) nichts, nur die für Fußballspiele entscheidendste Tatsache wäre damit wohl so allmählich geklärt. Die Hubertusburger denken aber nicht daran, sich hier ihrem Schicksal zu ergeben. Der unermüdlich Zille findet mit seinem Durchstecker Ruby, der sich überragend durchsetzt. Der souverän agierende Schiedsrichter Florian Taychert kann sich aussuchen, über er kurz darauf die Sense unten oder den Check oben bewerten will und zeigt auf den Punkt.

Demba Mbye tritt zum Strafstoß an und verwandelt zum Abstand des Pausentees. Wermsdorf hält sich selbst vor, wie es gehen kann und gibt weiter, was noch im Tank ist. Hinten rettet Luki auf der Linie, vorne sorgen Hanni und Ruby mit ihren Abschlüssen für Gefahr. Mietzer kommt, um nochmal eine neue Note zu setzen, muss sich aber vor allem erstmal nahtlos in die fordernde Laufarbeit eingliedern. So nutzen sich beide Seiten bis Ladenschluss vornehmlich zwischen den Boxen ab. Es raschelt einmal kräftig für Delitzschs Verteidiger und Wermsdorf hat Glück, dabei ohne Karte wegzukommen. Die Gastgeber bedanken sich ihrerseits mit noch eilig verteilten blauen Flecken. Dann beendete die Klingeln die Lehrstunde. Delitzsch zeigt der taufrischen FSV-Bande die Grenzen auf. Die beweist besonders in Durchgang zwei allerdings, was vor allem von der blau-weißen Birne her möglich sein kann. Wenn diese kollektive Leidenschaft und der Wille noch durchsickert bis in die Fußballschuhe, hinten wie vorne Erfahrung und Abgezocktheit wachsen, dann darf man gespannt sein, wie dieser Leistungsvergleich in den nächsten Jahren aussehen könnte.

Bis dahin wird wohl allerdings noch so mancher Karpfen aus dem Horstsee geholt. Für die Juretschke-Schützlinge gilt es, sich der offengelegten Baustellen anzunehmen und diese individuell wie mannschaftlich in den kommenden Wochen zu beheben. Der Grundstein hierfür sind hartes Training und Konzentration auf das Wesentliche. Von alleine kommt nichts, aber am Ende wird sich immer bewahrheiten, dass was man reingibt, auch rauskommt. Wenn sich die Blau-Weißen hier im weiteren Saisonverlauf fortwährend anschicken, den eigenen Anspruch zu halten, dann holla die Waldfee. Im Fußball ist es wie im Leben, wir wollen alles schnell und gleich. Dabei leerte nicht zuletzt die blau-weiße Vergangenheit Demut und Geduld. Also lasst uns konsequent, fokussiert und geerdet an- und füreinander arbeiten. Dann haben wir uns nichts vorzuwerfen und wer weiß, vielleicht bekommt Luki dann noch das ein oder andere umso schöner Geburtstagsgeschenk. JK