Rubys Doppelpack und Schlitzohr Böttgi – Wermsdorf feiert nach überzeugender zweiter Hälfte den Derbysieg gegen Traktor
FSV Blau-Weiß Wermsdorf – SV Traktor Naundorf 4:1 (1:1)
Am Samstag stand für die Hubertusburger eine besondere Begegnung auf dem Programm. Mit dem Traktor aus Naundorf tuckerte ein ehemaliger Spielgemeinschaftspartner der Wermsdorfer an die Sachsendorfer Straße. Nachdem die FSV’ler den SV im Sommer 2022 vor der vermeintlichen Auflösung bewahrten, gleichwohl von einer Vielzahl talentierter neuer Rasenschachvertreter am Fuße der Hubertusburg profitierten und man zu Beginn unter anderem nach einem furiosen Pokalerfolg der SpG aus Luppa, Wermsdorf II und Naundorf noch von einer glorreichen gemeinsamen Zukunft träumte, brauten sich im Frühjahr 2023 dunkle Wolken über der Zusammenarbeit zusammen. Schließlich wurden die Hubertusburger zur ausgehenden Runde 22/23, während sich die kupfersche Nordsachsen-Truppe noch mitten drin, statt nur dabei wähnte, im Titelkampf der Kreisoberliga einmal komplett überrumpelt und alsbald vor vollendete Tatsachen gestellt. Während die eine Seite sich im Glauben an eine langfristigere Auslegung der ganzen Schose arg getäuscht sah, verwies man auf anderer Seite auf vermeintlich offensichtliche Absichten und Beweggründe, die bis tief hinein ins FSV-Selbstverständnis trafen. Da sich gleichzeitig offenbarte, dass die ein oder andere blau-weiß Färbung des Herzens scheinbar mehr Fassade als Kerneinrichtung (oder zumindest keinen festen Allwetterschutz) darstellte, führte die einseitige Entzweiung nicht nur für den so unermesslich wichtigen Wermsdorfer Unterbau zu erheblichen Zweifeln, sondern fügte nahezu im Gleichschritt auch der ersten Auswahl des Vereins einen Aderlass bei, der so noch wenige Wochen zuvor wohl selbst für einen fiebertrunkenen Alptraum zu dystopisch gewesen wäre. Jahrelange Freundschaften wurden von jetzt auf gleich mal mindestens in den Stande-Bye, wenn nicht gar gänzlich in den Off-Modus geschalten und aus Wegbegleitern, die sich am Fuße der Hubertusburg verdient machten, wurden in Windeseile kaum mehr als schmerzhafte Erinnerungen. Man möge an dieser Stelle die einseitige Perspektivwahl, mit welcher aber wohl ohnehin die Vielzahl dieser Artikel zu „glänzen“ weiß verzeihen, aber da ein Austausch mit dem Gegenüber seither nie stattgefunden hat und selbst im Moment des Abschiedes tatsächlich bis auf eine Ausnahme nicht gesucht wurde, übersteigt diese Draufsicht, die den Blau-Weißen sicher in so manchen Fällen gut tun würde, an diesem Punkt die Grenzen des Möglichen. Wo Vereinsleben auf Kreisniveau als Einbahnstraße verstanden wird, die beim ersten Gegenverkehr mit der nächstbesten Ausfahrt Richtung Helene Fischer Konzert oder Shopping-Center samt neuen schickeren Vereinsjerseys verlassen wird und auf dem Beifahrersitz eine ganzer Stapel an über Dritte „kommunizierter“ Vorwürfe abgeladen wird, während hinterm Lenkrad nach eben jenen kritisierten Verfahrensweisen vorgegangen wird, dann muss ehrlich festgehalten werden, dass hier Fußball und Privates verschwimmen und kaum voneinander zu trennen sind. Die Konsequenzen, die sich daraus sowohl auf emotionaler Ebene als auch auf administrativer Seite ergeben, bekam die FSV-Gemeinschaft also mit voller Wucht vor die Kiemen serviert. Was macht der blau-weiße Karpfen? In den Horstsee abtauchen und auf den erlösenden Enterhaken der Fischkönigen warten oder sich freischwimmen? Die finale Antwort folgte an diesem 14.9. ab 15 Uhr.

Mittlerweile lässt sich das Hubertusburger Fischbrötchen nämlich ganz ansehnlich belegen. Dank einiger Jungs, die erst auf dem zweiten Bildungsweg ihre Leidenschaft für Vereinsfußball (und das kunterbunte drum herum) entdeckten, einer Vielzahl an Kickern der Abteilung „Jugend forscht“ aus dem eigenen Nachwuchs, begleitet durch die Fraktion Sommer 2023 – „Wie wärs mit Nein?“ und mittlerweile nicht nur auf, sondern auch neben dem Platz geleitet durch die Leitwölfe der Generation, für die, die aktuellen Trikottrends nicht Retro sondern Kindheit sind, tummeln sich Aufbruchstimmung, Teamgeist und ein Zusammenhaltsgefühl an der Sachsendorfer Straße, dass die Gegner des heutigen Tages vor nicht allzu langer Zeit komplett zu Grabe trugen. Der Aufarbeitungsprozess dank des frischen Windes in Kombination mit der unverwüstlichen blau-weißen Prise also in Selbsttherapie beinahe abgeschlossen und als krönender Abschluss die letzte Sitzung nun also als Partnergespräch. Dem Aufeinandertreffen wohnten gut 120 Zuschauer bei und das in so einem Derby von Rollenverteilungen nicht viel zu halten ist, sollte dem geneigten Leser klar sein.

Entsprechend fokussiert die Collmkicker also im Vorfeld. Selbst beim gemeinsamen Nudelessen blieb das Ziel dermaßen fest im Blick, dass diesmal keine Tellerberge oder Dreifach-Portionen zu bestaunen waren. Trainer Sven Juretschke und seine Co’s Denny Beckedahl und Robby Staude mussten neben den Langzeitverletzten Auerbach, Kupfer und Ziegler auch auf Spielertrainer Staude und die blau-weiße Mietz Tim Höhnel verzichten. Urlauber Dembappe hingegen kehrte für das Aufeinandertreffen extra früher vom Bodensee zurück und auch die FSV-Recken Sebastian Freiberg und Florian Böttger schnürten an diesem besonderen Tag nochmal die Kunstleder-Treter. Die angeschlagenen Lukas Schulz, Tom Zielinski und Florian Grieser kamen gar nicht erst auf die Idee, einen Einsatz in Frage zu stellen und so war es also nach allem Hin und Her endlich angerichtet.

Die Gastgeber kommen furios rein ins Geschehen, übertragen das Feuer aus der Kabine auf die Wiese und stellen beinahe nach nur einer Zeigerumdrehung den ersten Firmenwagen ins gegnerische Gehäuse. Nach Tom Zielinskis Vorlage in den Rückraum klatscht der zentrale Abschluss von Klassensprecher Justus Keller allerdings nur an den Querbalken und der Traktor kann aufatmen. Zur eigenen Feldbestellung kommen sie aber erstmal trotzdem noch nicht. Nur wenige Augenblicke später werden dieselben Protagonisten abermals gefährlich. Diesmal bietet Keller mit einer abrutschenden Eckballdirektnahme beinahe die unfreiwillige Vorlage für Bambi, doch der galoppiert die berühmten Zentimeter zu spät Richtung Kunstleder und verpasst den Einschuss.

Die blau-weiße Anfangseuphorie verpufft somit erstmal und scheint in der Folge eher Last als Antrieb zu sein. Alle elf wollen es so unbedingt, dass der Auftritt verkopft wird und die Entscheidungsfindung in den wichtigen Momenten misslingt. So kommen die Gäste angetrieben vom omnipräsenten Kapitän Tim Kuhl zu längeren Ballbesitzphasen und können sich hinten den agilen FSV-Stürmern erwehren. Es ist zur Mitte des ersten Durchgangs der erwartete Kampf, bei dem Naundorf durch einen eigenen Alu-Treffer erst in dieser Kategorie ausgleicht und kurz darauf auch das bis dato entscheidendstes Argument des Tages vortragen darf. Nach 25 Zeigerumdrehungen dreht Kuhl im Zentrum auf, bekommt zu viel Wiese und was er daraus machen kann, dass ist an der Sachsendorfer Straße noch allen bewusst. Mit einem Traumpass aus dem Fußgelenk legt die Nummer 15 in den Lauf von Timo Radeck, der ebenfalls ein alter Bekannter ist und über dessen Geradlinigkeit zum Tor man auch aus eigenen Quellen bestens informiert ist. Robyn Staude im FSV-Tor pariert im Eins-gegen-Eins zunächst noch phänomenal, doch der Rebound landet wieder vor des Gegners Füßen und ist kurz darauf zwischen den Torstangen. Mit der Führung und der böigen Himmelspuste im Rücken spielt es der Traktor in den folgenden Minuten mit viel Beinfreiheit locker weg, während die Collmkicker erstmal die eigene Gedankenwelt sortiert bekommen müssen. Zusammengehalten vom blau-weißen Teamgeist meldet sich der Platzbesitzer kurz vorm Pausentee aus dieser kritischen Phase gestärkt zurück. Es ist eine Erkenntnis der noch jungen Saison, die sich zu erhärten scheint. Diese Mannschaft trägt die FSV-DNA in sich und zeigt sich bei Widerständen derart intakt, dass Rückstände die notwendigen letzten Körner mobilisieren und nicht zur planlosen Vergeudung eben jener führen. In der 41. Spielminute ist es nach einem sauberen Ballvortrag das altbekannte Duo, dass auf den Plan gerufen wird. Klassensprecher für Kassenkraft, konsequentes Dribbling in die Box und dann ist Bambi nur noch mit dem Stempler an die Hufe zu verteidigen. Den fälligen Strafstoß nimmt sich Bodensee-Rückkehrer Demba Mbye und bastelt das Spielgerät unhaltbar in die Maschen. Dembappe erlöst seine Farben und entknotet das blau-weiße Tau.

Bis zum Pausentee kommt mächtig Druck von den Juretschke-Schützlingen, doch der Turnaround muss noch warten. Erstmal geht es in die Windstille, die zur ungestörten Nachjustierung genutzt werden kann. Den Sturm und die moralische Gewissheit nun auf ihrer Seite, bespielen die Hubertusburger ihren Schicksalsboten in der Folge mit einer Konsequenz, die für klare Verhältnisse sorgt. Auf der einen Seite brechen sich die Streitereien und Befindlichkeiten Bahn, während auf der anderen Seite die eigene Gemeinschaft gelebt wird. Nach 54 Spielminuten schlägt sich dieser Zustand aus beiden Lagern auf dem Spielberichtsbogen nieder. Libero Max Thomas, die defensive One-Man-Show der Hubertusburger, die spätestens mit einer sagenhaften Doksy-Performance zum Führungsspieler gereift ist, läuft einen langen Ball ohne größere Probleme ab und behält die Übersicht.

Von Anspielstation Justus Keller geht der Spielaufbau zu Johannes Keller weiter. Der Sechser ist es, der die zündende Idee hat und endgültig unter Beweis stellt, dass der Sommer 2023 neben einigen enttäuschenden Geschichten auch wahre Happy Ends fabrizieren konnte. Hanni malt den Ball über die Mittellinie und in den Lauf von Stürmer Ruven Frase. Ruby, der verlorene Sohn aus der eigenen Jugend und die nächste sensationelle blau-weiße 2023-Entdeckung, der sich bis dato am bockstarken SV-Verteidiger Martin Dräger aufgerieben hatte, belohnt sich nun für den Aufwand und gibt seiner Mannschaft eine ganze Menge zurück.

Mit sieben Meilenstiefeln geht es Richtung Abschluss und der sitzt eiskalt durch die Beine des gegnerischen Schlussmanns. In der blau-weißen Jubeltraube muss vielleicht so manche Träne zurückgehalten werden und dann biegt der Nachmittag ab Richtung Denkwürdigkeit. Zwar verpassen Ruby, Keller und Pascal Weidner in der Folge den schnellen Führungsausbau. Wermsdorf bleibt aber wie aus einem Guss und findet nach 73 Spielminuten den Moment des Tages.

Comebacker Florian Böttger, der zwischen Familienglück und Dartsturnier mal wieder als Teilzeit FSV-Held in die Stollen sprang, lässt die Ekstase steigen. Kurz zuvor für den aufopferungsvoll spielenden Tom Zielinski in die Partie gekommen, verbindet Böttgi mit einem mustergültigen Kontakt Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft. Louis Hoffmann, straight outta Jena legt per Kopf ab zum Trikotvorgänger, der kurz mal die ganze Magie der Nicki-Nummer 10 sprühen lässt und mit einem traumhaften Kontakt butterweich über die Naundorfer Kette in den Lauf von Ruby legt. Der packt seine Bewacher wieder in den Rucksack und stiefelt los gen Doppelpack. Die blau-weiße 22 lässt die zwei Ziffern in neuem Glanz erstrahlen und schiebt zum 3:1 ein.

Aller guten Ruby-Dinge sind drei, kann an diesem Tag allerdings nicht mehr zur realen Frase werden, da der Stürmer mit Vollendung des Mitspielerherzens Feierabend hat und Philipp Springer sich zur Veranstaltung gesellt. Der alte Juretschke-Schüler fügt sich nahtlos ins Teambild ein und kommt direkt mal mit einem feinen Solo um die Ecke.

Apropos feines Solo, Minute 84 und Vorhang auf. Louis Hoffmann macht seinen Gummigelenken alle Ehre und setzt im Strafraum den ikonischen Moment des Spiels. Am ersten Gegner grazil vorbei wie es nur einer kann, der im Berufsalltag so manchem Flurstolperstein namens Schulranzen auszuweichen hat, dem Zweiten so durch die Beine, dass Fifa über einen sechsten Stern nachdenken müsste, gebe es die Kreisoberliga im beliebten Taschengeld-Fresser und vom Dritten wird Hoffi so dermaßen von den Beinen gefegt, dass wir nun eher beim Spieleklassiger Tekken angelangt sind.

Neben wenigen exklusiven Meinungen zur Interpretation vom Spielvorgang des Ballspielens in einer Verteidigungsaktion bleibt die Sache glasklar und das an diesem Tag äußerst souverän und umsichtig agierende Unparteiischen-Gespann entscheidet ohne große Umschweife auf den erneuten Strafstoß. Wenn das was Louis für das Zustandekommen dessen angestellt hat als ikonisch zu bezeichnen ist, dann ist die Ausführung von Flori Böttger mal mindestens schlitzohrig, wenn nicht gar das I-Tüpfelchen der Veranstaltung. Böttgi guckt, guckt weiter und sieht was er sehen will. Der Hüter taucht zu früh ab und der Stürmer schiebt kalt wie eine Hundeschnauze flach über die geschundenste Rasenstelle der Wiese unter kollektivem Raunen ein, zu seinem Torcomeback und dem 4:1 Entstand.

Was wurde im Vorfeld nicht so alles geredet. Was musste sich der Verein am Fuße der Hubertusburg nicht so alles gefallen lassen. Das Ergebnis und die Art seines Zustandekommens sind die Antwort, auf die man an der Sachsendorfer Straße hat viel zu lange warten müssen und die man hiermit auf die bestmögliche Weise gegeben hat. Was könnte man sich nun ergehen im Triumphzug vom letzten Wort, welches dann immer noch auf dem Platz liegt und was könnte man nun noch Feuer schüren, wo gerade vor allem Asche überwiegt. Die blau-weiße Flamme sie brennt stärker denn je, weil wahre Verbundenheit am Ende immer noch mehr zählt, als fixe Ideen und Momentaufnahmen. Möge es im Sinne jener jahrelang vermeintlich empfundenen Verbundenheit möglich sein, dass jene Einsichten in den Denkapparaten einiger Protagonisten auf beiden Seiten reifen werden, um einige Leerräume mit neuer Nähe füllen zu können und um, wahrscheinlich eher übermorgen als morgen dafür zu sorgen, dass wieder zusammenkommt, was zusammen gehört und sich zurückfindet, was verloren geglaubt wurde. Wie die blau-weiße Realität aussieht, davon konnte sich an diesem 14.9. auch die letzten Zweifler überzeugen. Festzuhalten gilt dabei bei aller Rivalität und Unstimmigkeiten, dass jedem sein Glück zu gönnen ist und man sich am Fuße der Hubertusburg seit über eineinhalb Jahren keinesfalls in die Taschen lügt. Wir wissen um unsere Verantwortung und das zu Ereignissen wie damals immer zwei gehören. Gleichwohl haben wir aber auch unter Beweis gestellt, dass uns haltlose Störfeuer und gezielte Manipulationen nicht von unserem Weg abbringen. „Wir sind die Fußballspieler vom FSV Blau-Weiß…“und so weiter und so fort. Mit dem melodischen Teil des Tages, den es zur Feier des Augenblicks zu späterer Stunde im nun kupferstichigen Kristallpalast zu Wermsdorf auch noch zu Bestaunen gab, wollen wir an dieser Stelle mal lieber nicht noch anfangen. Auf alles was noch kommt, ihr blau-weißen Chorknaben. JK
